Pflegehelferin bringt NÖ HILFSWERK vor Gericht

NÖ Hilfswerk geklagt vor Arbeits-& SozialgerichtAnnähernd ein Jahr nach der Kündigung kommt es endlich zum Gerichtsprozeß vor dem Arbeits- & Sozialgericht Korneuburg, in dem die Pflegehelferin ihr vorenthaltene Lohnzahlungen einfordert. Diese wurden ihr durch rechtswidrige Anwendung von sogenannten „Auslastungsquoten“ vorenthalten. Auch die Vorgänge mit der ARBEITERKAMMER zeugen offensichtlich davon, daß die politischen Netzwerke des HILFSWERK, einer der ÖVP zuzuordnenden Pflegeeinrichtung, in diesem Fall eine nicht ganz unwesentliche Rolle spielen. Letztlich ist es nämlich nicht die Organisation, die die Rechtsvertretung von HERMINE (Name red. geändert) übernahm, sondern ihre eigene Rechtsschutzversicherung.

Im Zuge der Überprüfungen der uns zur Verfügung gestellten Dokumente und Arbeitsaufzeichnungen, darunter auch vertrauliche HILFSWERK-interne Unterlagen, konnten wir rasch die Feststellung machen, daß HERMINE, ebenso wie zahlreiche andere DienstnehmerInnen, nicht einmal die real geleistete Arbeitszeiten entlohnt bekam, sondern auch die geleistete Arbeitszeit unter Anwendung von Auslastungsquoten für die Berechnung der Bezahlung gekürzt wurde. Konkret geht es darum, daß dem mobilen Pflegepersonal teilweise Fahrtzeiten zu und von Patienten nicht bezahlt wurden, da das HILFSWERK offensichtlich die Höhe der Bezahlung von den eigenen Einnahmen durch die Dauer der Patientenbetreuung abhängig machte. In den vom HILFSWERK abgerechneten Arbeitszeiten scheinen die Fahrtzeiten dann oftmals gar nicht auf. Zahlreiche Beschäftigte bestätigten unabhängig voneinander mit einer großen Bandbreite bis hin zu Repressalien, wie die HILFSWERK-Führung auf die Einhaltung der Quotenregelung pochte. Diese Sachverhalte sowie Details zu den Auslastungsquoten entnehmen Sie bitte folgenden Veröffentlichungen: „HILFSWERK: Profit auf dem Rücken der DienstnehmerInnen Teil 1„, „Teil 2„, „HILFSWERK täuscht raffiniert Dienstnehmer und spart Millionen an Lohnzahlungen„, „Offener Brief an das Präsidium der NÖ ARBEITERKAMMER von GLÖCKEL“ und „Die Bundesarbeiterkammer zur rechtswidrigen Entlohnung beim HILFSWERK„.

Faksimile des als vertrauliche gekennzeichneten Dienstplanes vom NÖ HILFSWERKFaksimile: Der „vertrauliche“ Dienstplan vom NÖ HILFSWERK

Dienstplan von HERMINE vom NÖ HILFSWERKEin Realbeispiel: Unter Heranziehung des als „Vertraulich“ gekennzeichneten Dienstplanes von der Arbeitswoche vom 26.6.06 bis 2.7.06 weist dieser aus, daß die Pflegehelferin in Summe bei 12 Patientenbesuchen 8 Pflegestunden zu verrichten hatte (Faksimile links). Diese Betreuungszeiten wurden vom HILFSWERK dann auch den Patienten verrechnet. Ebenso erhielt die Beschäftigte vom HILFSWERK auch nur 8 Stunden Arbeitszeit entlohnt. Daß jedoch deren Arbeitszeit mit dem Betreten auf der Dienststelle begann, wo zusätzliche administrative Tätigkeiten vorzunehmen sind, die Anfahrt zu der Patientin mit dem Dienstfahrzeug folgte, (welches überhaupt erst ordnungsgemäß an der Einsatzleitung übernommen werden mußte,) blieb unberücksichtigt. Selbst für einen Laien ist zusätzlich eindeutig erkennbar, daß in Anbetracht dessen, daß sich die Patienten in 5 (!) auch von der Ortschaft der Einsatzleitung differenzierenden Gemeinden mit Anfahrtswegen von bis zu 25 Minuten von der Dienststelle zu einer Patientin eine Kluft eröffnet, die unüberwindbar ist. DDr. W. MASSL, Rechtsexperte der NÖ ARBEITERKAMMER bestätigte in unserem Interview, daß die Arbeitszeit in dem Moment zu beginnen hat, in dem die Dienstnehmerin die Einsatzleitung betritt, um dort unter anderem auch die Schlüssel der Wohnungen der Patienten abzuholen.

Wir unterstützen die ehemalige Dienstnehmerin weiterhin (Reportagenverweise: 1, 2) und analysierten an Hand von 4 wahllos aus ihrem Beschäftigungszeitraum entnommenen Arbeitswochen, daß sie innerhalb dieser durchschnittlich 1 Stunde und 4 Minuten pro Tag unbezahlt für das NÖ HILFSWERK gearbeitet hatte. Diese genaue Aufstellung, für die auch die HILFSWERK-internen und als vertraulich gekennzeichneten Unterlagen herangezogen wurden, sowie Sachverhaltsschilderungen, waren für die NÖ ARBEITERKAMMER ausreichend Beweismittel, um am 22.12.06 an das HILFSWERK NIEDERÖSTERREICH die Forderung über den gesamten Beschäftigungszeitraum wie folgt zu richten:

Faksimile des Zeitprotokolls vom HILFSWERK NIEDERÖSTERREICH

Faksimile aus dem Zeitprotokoll der Pflegehelferin – für 8 Stunden Hauskrankenpflege am 2.7.06 wurden ihr 8 Arbeitsstunden gutgeschrieben – Zeiten für administrative Tätigkeiten auf der Dienststelle (u.a. Schlüssel der Patientenwohnungen holen, Einsatzplan auf Änderungen überprüfen – Firmenfahrzeug übernehmen) sowie Fahrtzeiten zu und von Patienten blieben unentlohnt

20 Arbeitstunden pro Monat (33 Dienstmonate) ergibt 660 Std.
2 Arbeitsstunden für administrative Tätigkeiten
(red. Anm.: auch in diesem Punkt verweist DDr. MASSL auf die Rechtswidrigkeit vom HILFSWERK, da keine Pauschalierung der administrativen Tätigkeiten zulässig wäre) (28 Dienstmonate) ergibt 56 Std. das sich daraus ergebende, höhere Monatsentgelt aufgerechnet auf die erhaltenen SZ (ZU/WR) für 2004, 2005, 2006

Faksimile: Aufforderung der NÖ ARBEITERKAMMER an das NÖ HILFSWERKFaksimile: Forderung der NÖ ARBEITERKAMMER an das NÖ HILFSWERK vom 22.12.06

HERMINE geht es jedoch nicht alleine darum, daß sie zu ihrem Recht kommt, sondern daß dem HILFSWERK die rechtswidrige Entlohnung für alle Kolleginnen und Kollegen endlich abgedreht wird. Schon in einem Brief vom 29.11.06 wandte sie sich an das Präsidium der NÖ ARBEITERKAMMER und ersucht um die Einleitung eines Feststellungsverfahrens für alle 7600 Beschäftigten der Organisation. Sie versuchte einen Musterprozeß zu erwirken, dessen Ausgang mit einem Schlag für alle Dienstnehmer bindend sein würde. Wenn schon HERMINE alleine mit den Berechnungen für sie alleine auf eine Forderung von 7.000.- bis 8.000.- Euro kommt, dann sind es hochgerechnet Millionenbeträge, wenn man die Abrechnung für Tausende Beschäftigte über einen längeren Zeitraum heranzieht.

Während sich der Herausgeber GLÖCKEL bereits mit 8 juristischen Verfahren, die das NÖ HILFSWERK gegen die Exklusivserie eingeleitet hatte befassen mußte, teilt der Präsident der NÖ AK, Josef STAUDINGER der Frau, die sich zu Recht in Erwartung auf Beistand und Hilfe an die Arbeitsnehmervertretung gewendet hatte, mit Datierung 11.12.06 wie folgt mit:

… ich danke Ihnen sehr für Ihr engagiertes Schreiben, in welchem Sie arbeitsrechtliche Praktiken bei Ihrem ehemaligen Dienstgeber kritisieren. Die Kammer für Arbeiter und Angestellte für Niederösterreich hat aufgrund Ihrer Angaben bereits ein Interventionsschreiben an den Dienstgeber abgeschickt in welchem er aufgefordert wird, eine korrekte Lohnabrechnung vorzulegen und die im Zusammenhang mit der verfehlten Sichtweise der Auslastungsquoten nicht bezahlten Arbeitszeiten zu bezahlen. Sie können versichert sein, dass wir Ihr Anliegen mit allen rechtlich möglichen und zweckmäßigen Mitteln unterstützen werden.

Faksimile aus dem Brief des Präsidenten der NÖ ARBEITERKAMMER, Josef STAUDINGERFaksimile aus dem Schreiben Präsident STAUDINGERS an die Pflegehelferin

Kein Wort fand sich über alle weiteren von den rechtswidrigen Zuständen betroffenen DienstnehmerInnen und dies, obwohl HERMINES Brief an das Präsidium 3 volle DIN A4-Seiten mit Detailangaben umfaßte.

Doch ein Punkt wird zu einem späteren Zeitpunkt von essentieller Bedeutung sein, nämlich die Aussage des Präsidenten, daß er von „der verfehlten Sichtweise der Auslastungsquoten“ spricht. Präsident STAUDINGER wurde nämlich als Zeuge vom Journalisten GLÖCKEL in dem letzten von 8 juristischen Verfahren, die das HILFSWERK vom Zaun brach, angeführt. Sieben dieser Verfahren hat das NÖ HILFSWERK bereits verloren. Ausgerechnet die „Auslastungsquoten“, deren Anwendung zur Verringerung der Besoldung des HILFSWERK-Personals laut dem HILFSWERK gar nicht existieren sollten – und dann spricht der Präsident von einer „verfehlten Sichtweise“ – GLÖCKEL freut sich auf den Augenblick wenn der Politiker und höchste Repräsentant der NÖ AK dem Gericht gegenüber erklären wird, wie und wodurch es zu solcher Aussage gekommen ist. Setzt diese logischer Weise nicht voraus, daß sich der Präsident mit dem HILFSWERK ausgetauscht hat?

Mit Datierung vom 28.12.06 richtet der Leiter Personal & Infrastruktur, Mag. Wolfgang SCHABATA (Verweise 1, 2) vom NÖ HILFSWERK an die AK NÖ ein Schreiben, in dem er die Forderungen mit der Begründung in Abrede stellt, daß die ehemalige Beschäftigte ihre Ansprüche innerhalb von 4 Monaten einreichen hätte müssen und daher nach Ansicht des HILFSWERKS kein Rechtsanspruch mehr besteht, weil deren Forderung zu spät kam.

Faksimile aus dem Brief von Mag. Wolfgang SCHABATA an die AK NÖFaksimile: Brief NÖ HILFSWERK, Mag. SCHABATA an die NÖ ARBEITERKAMMER

Die Beschäftigte hatte jedoch bis zu den Recherchen von GLÖCKEL keine Ahnung davon, daß die Anwendung der Auslastungsquoten rechtswidrig waren. Wer käme schon auf die Idee bei einer „Sozialeinrichtung“, hinter der zusätzlich die ÖVP-Politik steht, um seinen gerechten Lohn geprellt zu werden?

Hatte vorerst das NÖ HILFSWERK die an sie gerichtete Forderung abgelehnt, trifft mit Datierung vom 20.3.07 ein Schreiben der NÖ ARBEITERKAMMER bei der Pflegehelferin ein. Laut dem Juristen der AK, Mag. S. KORNFELD bietet die Betriebsratsvorsitzende des NÖ HILFSWERKS Vergleichgespräche an – es soll Anfang April zu einem “ … diesbezüglichen Termin mit Exponenten der Personalabteilung des NÖ Hilfswerkes kommen …“

Faksimile ARBEITERKAMMER informiert über das Angebot von VergleichgesprächenFaksimile: Die schriftliche Verständigung der NÖ ARBEITERKAMMER – plötzlich werden Vergleichgespräche angeboten. Offensichtlich soll es zu keinem Gerichtsprozeß kommen

Wiederholt teilt HERMINE mit, daß es nicht um sie allein ginge, sondern der eklatante Rechtsverstoß alle Beschäftigen betrifft. Sie teilt schriftlich der NÖ ARBEITERKAMMER u.a. wie folgt mit:

Ihr Schreiben darf ich wie folgt beantworten, aber auch meine Verwunderung darüber zum Ausdruck bringen, daß seitens der Arbeitsnehmervertretung überhaupt Interesse daran bekundet wird, diesen Fall zu vergleichen. Diesbezüglich lege ich mein Schreiben vom 29. November 2006 bei, das ich an das Präsidium der NÖ Arbeiterkammer gerichtet habe und den Umstand hervorhob, daß 7600 DienstnehmerInnen betroffen sind. … In dem gegenständlichen Fall geht es nicht um mich alleine, sondern um alle Beschäftigte des HILFSWERKS in Österreich und gerade aus diesem Grunde bin ich davon ausgegangen, daß es sehr wohl auch im Interesse Ihrer Einrichtung liegt, daß dieser gesetzwidrige Zustand endlich erstens gerichtlich festgestellt, zweitens auch abgestellt wird und drittens alle davon betroffenen Kolleginnen endlich eine Entschädigung, Nachzahlung bzw. Ausgleichszahlung erhalten. …

Die Formel für die rechtswidrigen Auslastungsquoten beim HILFSWERKDie Formel für die rechtswidrigen Auslastungsquoten beim HILFSWERK

Nachdem sich die ehemalige Beschäftigte vom NÖ HILFSWERK, die unsererseits weiterhin unterstützt wird, nicht von ihrem Weg abbringen läßt, beruft die NÖ ARBEITERKAMMER den auf dem Sektor des Arbeitsrechts durchaus als Spezialist anzusehenden Juristen Dr. Alois OBEREDER mit der Vertretung des Falles. Besprechungen und Sachverhaltsdarstellungen erfolgten vor und mit dem Juristen. Zeit vergeht – die Fakten liegen auf dem Tisch. Und dann kommt das Unerwartete, obwohl die NÖ ARBEITERKAMMER gegenüber dem HILFSWERK noch Ende 2006 selbst eine Forderung unter anderen Punkten von über 660 Arbeitstunden stellte, will sie nun keinen Rechtschutz gewähren, weil angeblich die Frist von 4 Monaten für die Geltendmachung von Forderungen existieren. Ob sich diese 4-Monate-Frist, die laut Betriebsvereinbarung tatsächlich existiert, jedoch seitens des HILFSWERKS vor Gericht dann tatsächlich durchsetzen lässt, bezweifelt der Journalist, da aus seiner Sicht, Erkenntnissen und Wissensstand durch den Facettenreichtum der Anwendung und des Drucks seitens der Führungskräfte (siehe angeführte Leseverweise auf der 1. Seite dieser Reportage sowie den Prolog zur Serie) Gegenargumente wie „Sittenwidrigkeit“, „arglistige Täuschung“, „Rechtsbruch“ und neuerdings „Betrug“ gegeben scheinen. Der Verdacht des Betruges verhärtet sich alleine durch den Umstand, daß kurz vor GLÖCKELS letzter Tagsatzung zur Klage vom NÖ HILFSWERK wegen Unterlassung und Widerruf vor dem Landgericht Korneuburg eine Quelle aus dem HILFSWERK ihm einen Artikel aus der Personalvertretungszeitung zugespielt hat, in dem bereits im Jahr 2005 die Vorsitzende des Betriebsrates Ingrid BRUNNER in einem Artikel u.a. wie folgt schrieb:

Faksimile des Artikels aus der Zeitung des Betriebsrates vom NÖ HILFSWERKSelbst der Betriebsrat vom NÖ HILFSWERK prangert die Anwendung der Auslastungsquoten an

Anrufe von KollegInnen haben mich hellhörig gemacht, dass die Auslastung nicht immer korrekt zustande kommt, sondern „gebastelt“ wird. … geleistete Arbeitstunden zu streichen oder erst gar nicht aufzuschreiben, um der Auslastungsvorgabe zu entsprechen, lassen die Gemüter der KollegInnen heiß laufen.

Zitat GLÖCKEL: „Wer nachweislich im Jahr 2005 Kenntnis hatte, daß mit Auslastungsquoten die Arbeitsstunden der eigenen Beschäftigten reduziert werden und damit auch eine Verringerung des Einkommens erzielt wird, und dies auch in darauf folgenden Jahren macht, betrügt die eigenen Dienstnehmer vorsätzlich um den ihnen zustehenden Lohn.

Die Kanzlei FREIMÜLLER – NOLL – OBEREDER – PILZ hat am Landesgericht Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht Klage für die Pfleghelferin eingebracht. Das Verfahren wird unter der GZ: 34 Cga 119/07t geführt. Durch die zeitlichen Verzögerungen, die auch auf die Stellungnahmen der NÖ AK zurückzuführen sind, hat sich die Forderung HERMINES, weil eine formaljuristische 3-Jahres-Frist existiert, letztlich auf 5.741,97 Euro reduziert.

Dr. Alois OBEREDER bringt es in seiner Klage durch Vorlage der Betriebsvereinbarung vom 16.3.2005, in der unter § 5 „Arbeitszeit“ u.a. wie folgt geschrieben steht, auf den Punkt:

Die Arbeitszeit beginnt und endet jeweils in der Dienstleistungseinrichtung oder am Einsatzort in den zu einer Dienstleistungseinrichtung gehörenden Gemeindegebieten.

Auch werden für die ehemalige Dienstnehmerin vom NÖ HILFSWERK mehrere Kolleginnen als Zeugen aussagen – die waren nämlich genauso von den unfreiwilligen Lohnkürzungen betroffen wie HERMINE.

Das HILFSWERK NIEDERÖSTERREICH wird auch diesmal durch die Kanzlei CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH vertreten, eine Kanzlei die seitens der Redaktion nachhaltig in Erinnerung blieb – siehe: HILFSWERK und die Serie über PFLEGENOTSTAND von GLÖCKEL – eine Schmach ohne Ende ..

Die Gerichtsverhandlung findet am 25.10.07 11:00 Uhr, Saal XI, Zimmer 255, 2. Ebene/Neubau am Landesgericht Korneuburg, 2100 Korneuburg, Hauptplatz 18, statt.

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082310

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