Sie sind privilegiert soziale Dienste am Menschen durchzuführen, sie zu pflegen, zu betreuen, zu waschen oder auch zu füttern. Mitarbeiter der mobilen Sozialdienste in Österreich – morgens und abends unterwegs. Menschen, die ihren Beruf freiwillig ausüben, auch in Überzeugung für andere Menschen da zu sein. Nicht Arbeitslose, die wegen eines zunehmenden Bedarfes zum Beispiel von einer Baustelle kommend, umgeschult werden um die Statistiken der Arbeitslosen zu bereinigen und der politisch ambitionierten Schnapsidee zu folgen, daß jede Person solch eine Arbeit verrichten könnte.
Ihr Arbeitsalltag beginnt früh morgens und geht bis in die Nacht hinein. Ein Arbeitsalltag der geprägt ist von Auslastungsquoten, ohne wirkliche Rücksicht auf persönliche (familiäre) Umstände und Verhältnisse, obwohl Dienstverträge etwas völlig anderes zum Ausdruck bringen – Papier – bekanntlich geduldig.
Die Vorgaben der Auslastung in Prozentangaben sind zu erbringen, wobei die Anzahl jener Stunden, die den pflegebedürftigen Personen verrechnet werden, durch die tatsächlich geleistete Arbeitszeit des Dienstnehmers dividiert um mit dem Faktor 100 multipliziert wird. Daraus ergibt sich in Summe eine Zahl, die die Auslastung in Prozenten für den Dienstnehmer ergibt. Dies ist die einzige Prämisse für die Geschäftsführung des HILFSWERKS. Wird die vorgegebene Quote nicht erreicht, gibt es einen „Anschiss“, wie es die betroffenen Beschäftigten formulieren. Die entsprechende Kennzeichnung findet sich auch in dem internen Protokoll des HILFSWERKS, wo derartige „Arbeitsergebnisse“ mit Rufzeichen gekennzeichnet sind. Die zu erreichenden Auslastungsquoten für Heimhelfer 92 %, Pflegehelfer 90 % und diplomiertes Pflegepersonal 85 %. Daraus ergibt sich schon alleine durch die Klassifizierung der Beschäftigten eine Diskriminierung in Punkto Bezahlung von Arbeitsleistung und administrativem Aufwand, wie beispielsweise An- & Abfahrten zu den betreuenden Personen.
Faksimile aus der Betriebsvereinbarung, Bestandteil des Kollektivvertrags vom NÖ HILFSWERK
Seit einiger Zeit beschäftigt sich die Gesellschaft durch Medienberichte und daraus resultierend auch die Politik mit der Thematik, die dem Schlagwort „Pflegenotstand“ untergeordnet wurden. Doch wo bleibt die Transparenz, die sich auch mit dem Aspekt des Pflegepersonals auseinandersetzt? Kein Thema mit öffentlicher Diskussion und warum? – weil die großen einschlägig tätigen Einrichtungen in Österreich überwiegend einem politischen Colour zugeordnet werden können. (Hilfswerk ÖVP, Volkshilfe SPÖ)
Faksimile aus einer betriebsinternen Aufzeichnung vom NÖ HILFSWERK – die Auslastungsquoten
Welcher Arbeits- oder Dienstnehmer spricht schon über Mißstände, wenn der eigene Arbeitsplatz dadurch gefährdet ist, oder auch, wie wir in den folgenden Reportagen aufzeigen werden, die Entlassung oder Kündigung droht, aber auch tatsächlich erfolgt, immer gegenwärtig ist, oder gleich zu Beginn des Arbeits- bzw. Dienstverhältnisses klar und eindeutig im Falle des „wenn“, angekündigt wird. Ob Heimhelfer, Pflegehelfer oder diplomiertes Pflegepersonal, sie bluten mit ihrer psychischen und physischen Gesundheit unter der Leitung einer Einrichtung, die nach Außen soziales Engagement plakatiert, aber sich zumindest nach unseren Beobachtungen und Recherchen nach, nicht anders verhält als Großkonzerne: Profit auf Kosten der Mitarbeiter und der zu pflegenden bzw. zu betreuenden Menschen. Von Dienstplänen, die schon bei Erstellung durch die Einsatzleitung undurchführbar für den Dienstnehmer sind, bis zur Kündigung von Mitarbeitern, die durch ihren Arbeitseinsatz selbst zum Invaliden wurden, von Arbeitsinhalten, die gesetzlich gar nicht gedeckt sind, Heuchelei und Falschspiel werden wir berichten um das Bewußtsein zu sensibilisieren, daß Menschen selbst zu Opfern werden können – beim Dienst an Menschen und dies inhaltlich der Gesellschaft verborgen bleibt.
Das persönliche Umfeld der Beschäftigten in den mobilen Sozialdiensten nimmt oftmals Veränderungen der Betroffenen gar nicht wahr. Oder war Ihnen als Leser bewußt, daß die Beeinträchtigung dieser Menschen, deren Berufsstand vordergründig aus Frauen besteht, so weit geht, daß deren Sexualleben beeinträchtigt wird? Denken Sie, daß dies verwunderlich ist? Kein Dienst des mobilen Pflegepersonals vergeht an dem sie nicht mit Kot und Urin zu tun haben, jeden Tag, auch Leiber waschen, Erbrochenes entfernen, aber auch einen latenten Bedrohungspotential ausgesetzt sind und ein Hetzen von einem Ort zum anderen tagtäglicher Arbeitsablauf ist, der auch schon mal in einem Verkehrsunfall endet?
Ja, wir werden eine Bandbreite von Fällen aufzeigen und sind in der Position den Nachweis zu erbringen, daß der Fisch am Kopf zu stinken anfängt, denn die Verantwortung liegt nicht wie man annehmen könnte bei einer einzelnen Einsatzleitung, sondern der leitenden Einrichtungen der Bezirks- Länder- und somit auch der Bundesgeschäftsstelle. Auch eine Personalvertretung, die wie in anderen Berufsgruppen verlernt hat, den Sinn und Inhalt der eigenen Funktion vollinhaltlich zu erfassen und zu verfolgen. Gewerkschaften sind längstens nicht mehr das, wofür andere Mitglieder und vor allem Funktionäre vor Jahrzehnten gekämpft haben. Wen wundert es bei den politischen Verstrickungen?
Auszug aus der Betriebsvereinbarung des Hilfswerk mit dem Betriebsrat vom 20. Juni 2002 – unter § 3 Arbeitszeit: „Die Verteilung der Wochenddienste ist so zu legen, daß jede Dienstnehmerin nur jedes dritte Wochenende Dienst zu verrichten hat oder innerhalb von sechs Wochen nur an zwei Wochenende zum Dienst eingeteilt werden kann.“ Tatsächlich gibt es Dienstnehmerinnen, die gegenwärtig drei Wochenenden hintereinander zum Dienst eingeteilt werden. Aus einer Jahresaufstellung einer anderen Beschäftigten: Bei 52 in einem Kalenderjahr anfallenden Wochenenden war diese 5 im Urlaub und an einem Wochenende krank. Es verblieben 46 zu Verplanende, wobei die Dienstnehmerin anstelle von 15 Wochenenddiensten laut Betriebsvereinbarung dann real für 27 eingeteilt wurde.
Fangen wir an die Schicksale und Arbeitsbedingungen von Mitarbeitern des Hilfswerkes in Österreich zu beleuchten, zu diskutieren um Veränderung zu erwirken damit wir morgen nicht Gefahr laufen vor einem moralischen Desaster zu stehen, in dem Verantwortliche lauthals verkünden: „Wenn ich das nur gewußt hätte!“ und sich so versuchen der Verantwortung zu entziehen. Sie wissen es bereits und wir beweisen es. Auch, wenn wir einzelne Fälle vom HILFSWERK aufzeigen werden, die durch umfassende Aussagen unterschiedlicher Personen als Faktum anzusehen sind, so sind wir dennoch der Auffassung, daß es sich nur um die Spitze des Eisberges handelt. Und ebenso, daß es in anderen Organisationen gleichgelagerte Sachverhalte gibt. So laden wir alle Mitarbeiter der mobilen Pflegedienste ein, uns von ihren Erlebnissen zu berichten – machen wir einen Anfang.
Grundsätzlich weisen wir darauf hin, daß in allen Reportagen die Namen der betreffenden Quellen und Örtlichkeiten aus Gründen des Datenschutzes verändert bzw. unkenntlich gemacht sind und werden. Wir haben auch für den Fall, daß das HILFSWERK beabsichtigen sollte, gerichtlich gegen uns vorzugehen, von betroffenen Aktiven, sowie bereits entlassenen bzw. gekündigten Personen, die Zusage, die Sachverhalte auch vor Gericht zu bezeugen.
Ja, es gibt einen Pflegenotstand, aber haben wir die Ehrlichkeit alle Facetten des Spektrums zu betrachten. Denn das berufsausführende Klientel in den Pflegeberufen ist ebenso von diesem betroffen, wie die alten, kranken und gebrechlichen Menschen. Denn definitiv können wir heute schon sagen, daß Sie als Leser in absehbarer Zeit diesem Personenkreis angehören können und jedenfalls haben alle Beteiligten das Recht ebenso als Mensch und nicht als Individuum behandelt zu werden, das eiskalt wirtschaftlich kalkuliert wird.
2006-09-04
UPDATE 2012
Hilfswerk verlor alle 8 Verfahren gegen diese Serie
Gegen diese Exklusivserie ist das Hilfswerk Niederösterreich gegen den verantwortlichen Journalisten Walter Egon Glöckel, mit in Summe 8 juristischen Verfahren zu Felde gezogen. In den ersten 7 Verfahren unterlag das Hilfswerk bereits innerhalb weniger Monate. Das 8. Gerichtsverfahren dauerte annähernd 5 Jahre, bis auch dieses durch das Urteil des Obersten Gerichtshofes (OGH 6 Ob 232/10a) zu Gunsten Glöckels entschieden hat. (Alle vorherigen Instanzen hatten bereits ebenfalls für Glöckel entschieden, das Hilfswerk legte jedoch immer Berufung ein, bis es beim OGH landete.)
Alle diese Verfahren, sowie die vom Journalisten für Dienstnehmer begleiteten und betreuten kosteten das NÖ Hilfswerk etwa 100.000.- € (1.3760.000.- öS od. 200.000.- DM). Ein beachtlicher Betrag, den die der ÖVP zuzuordnende Organisation zahlen mußte.
Ein gewaltiger Sieg für die freie und unabhängige Presse!
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