HILFSWERK: Profit auf dem Rücken der Dienstnehmer Teil 1

(Zum Prolog der Serie) Die DienstnehmerInnen im mobilen Pflegedienst beim HILFSWERK werden nach dem BAGS Kollektivvertrag beschäftigt. So wird auch in einem Punkt des Dienstvertrages das wöchentliche Beschäftigungsausmaß in Form der wöchentlichen Arbeitszeit ausgewiesen. Betrachtet man das Entlohnungsschema der einschlägig beschäftigen Dienstnehmer genauer, dann ist eine Feststellung zu machen, die der eines Blickes hinter die Vorhänge einer Bühne gleichgesetzt werden kann. Tatsächlich weist das monatliche Zeitprotokoll der DienstnehmerInnen die Stundenanzahl aus, die dann zur Besoldung herangezogen werden und der Stundenanzahl entspricht, die im Dienstvertrag festgelegt wurde. Doch der springende Punkt liegt darin begründet, daß diese Stunden zwar auf dem Papier stehen, aber nicht der tatsächlichen Arbeitszeit entsprechen. Denn die Berechnung der zu bezahlenden Arbeitsstunden erfolgt mittels eines eigenen Berechnungsschlüssels, der durch die sogenannte „Auslastungsquote“ geregelt wird. Es entspricht einem Faktum, daß somit das HILFSWERK (z.B. NÖ) gar nicht die tatsächliche Arbeitszeit seiner DienstnehmerInnen besoldet, sondern Arbeitszeiten durch Anwendung der Auslastungsquoten berechnet.

Die Berechnung der zu entlohnenden Arbeitsstunden erfolgt mit folgender Formel: Die Anzahl der Zeit, die den zu betreuenden Personen vom HILFSWERK in Rechnung gestellt wird, wird durch die Anzahl der tatsächlichen Arbeitsstunden, die die DienstnehmerInnen erbrachten, dividiert. Diese Summe wird dann mit dem Faktor 100 Multipliziert. Daraus ergibt sich eine Zahl, die als „Auslastungsquote“ bezeichnet wird. Zwecks leichterem Verständnis hier ein fiktives Beispiel:

Eine mobile Heimhilfe betreut laut Dienstplan fünf unterschiedliche Patienten mit einer vorgegebenen Betreuungszeit von 5 Stunden an 5 unterschiedlichen Örtlichkeiten in 3 differenzierenden Ortschaften. Die tatsächliche Arbeitszeit beginnt eine halbe Stunde vor dem ersten Betreuungstermin auf der Dienststelle. Dort hat die Heimhelferin folgenden Tätigkeiten vorzunehmen – die Arbeitszeit beginnt in dem Moment wo die Beschäftigte den Schlüssel in das Schloß der Dienststelle steckt und aufsperrt:

Sie muß die vorgesehenen Patientenbesuche laut Dienstplan auf Änderungen kontrollieren; ggf. alle Schlüssel der aufzusuchenden Wohnungen oder Häuser an sich nehmen; im Dienstfach Nachschau halten, ob eine Nachricht oder dergleichen dort für sie deponiert wurde und überprüfen, ob es für die aufzusuchenden Patienten Änderungen oder Hinweise gibt, die diesen beispielsweise als Info-Briefe zu übermitteln sind; Dienststelle verschließen; den Dienstwagen übernehmen. Dann kann sich die Heimhilfe auf den Weg zum ersten Patienten machen. Wir sind kulant und nehmen hypothetisch an, daß sich der erste Patient nur wenige Kilometer entfernt in der nächsten Ortschaft befindet. Die Heimhilfe fährt mit dem Dienstfahrzeug von einem zum anderen Patienten. Nach den 5 zu betreuenden Personen kommt ab Dienstbeginn bis zur Rückkehr auf die eigene Dienststelle und Abschluß der administrativen Tätigkeiten ein tatsächlicher Zeitaufwand von 6 Stunden und 50 Minuten zustande.

Rechtens wäre es, wenn die im mobilen Pflegedienst tätige Mitarbeiterin jetzt diese 6 Stunden und 50 Minuten in den Arbeitsaufzeichnungen anführen könnte, was aus Sicht eines jeden berufstätigen Menschen auch ein Selbstverständnis wäre. Ist es aber nicht, zumindest nachweislich beim HILFSWERK nicht. Denn als Heimhilfe gilt für die Beschäftigte der „Auslastungsquotenschlüssel“ von 92%. Um diese Quote zu erreichen, muß die Dienstnehmerin Abstriche von der von ihr im Namen des HILFSWERKES vorgenommenen Arbeitsleistung hinnehmen. Würde sie die tatsächlichen 6h 50’ in ihrem Arbeitsnachweis anführen, dann würde sie nach der in Niederösterreich geltenden Quotenregelung des HILFSWERKES eine Auslastung von nur 73,21 % erreichen. Um die seitens der „caritativen Organisation“ vorgegebene Auslastungsquote von 92 % zu erreichen, kann sie nur etwa eine Arbeitszeit von 5 Stunden und 25 Minuten eintragen. Damit erreicht sie eine Auslastungsquote von 92,42 % und befindet sich verrechnungstechnisch, nach kaufmännischen Gesichtspunkten so ziemlich genau dort, wo sie der Dienstgeber gerne sieht.

Wäre der gleiche Arbeitstag von einer Pflegehelferin bestritten worden, dann gilt in Niederösterreich für diese Personengruppe die Auslastungsquote von 90 %. Einer Pflegehelferin kommt die Organisation schon mit 2 Prozentpunkten mehr entgegen. Sie darf 5h und 32’ als Arbeitszeit verrechnen um 90,36 % zu erreichen. Das diplomierte Pflegepersonal hat die Vorgabe von 85 %. Resultat der zulässigen, zu verrechnenden Arbeitszeit: 5h 50’ womit 85,71 % erreicht sind. Somit hat die Heimhelferin 1h 25’, die Pflegehelferin 1h 18’ und die DGKP 1h ohne Entgelt für das HILFSWERK gearbeitet.

Fakt ist somit, daß drei Dienstnehmer innerhalb einer Beschäftigungsgruppe, nämlich des mobilen Pflegepersonals, reale Arbeitszeiten nicht nur nicht in dem Ausmaß verrechnen dürfen, wie sie tatsächlich anfallen, sondern zusätzlich durch drei unterschiedliche Auslastungsquotenschlüssel eine Diskriminierung festzustellen ist. Unter anderem wurde dieser Sachverhalt von uns bei einer Zusammenkunft in der NÖ ARBEITERKAMMER mit dem Leiter der Abteilung Arbeits- und Sozialrecht, Herrn DDR. Wolfgang MASSL, sowie dem Leiter der Abteilung Gesundheitswesen, Herrn Dr. Bernhard RUPP durchgesprochen. Der leitende Jurist teilte in diesem Meeting unsere Ansicht, daß diese Vorgangsweise rechtswidrig ist und zusätzlich eine Diskriminierung der einzelnen Personengruppen darstellt.

Aus der Praxis beobachtend konnten wir die Feststellung machen, daß es zahlreiche Patienten gibt, wo sowohl HH (Heimhelfer), PH (Pflegehelfer) oder auch DGKP (diplomiertes Pflegepersonal) selbe Arbeiten verrichten. Grundsätzlich unterscheidet diese drei Gruppen, daß sie unterschiedliche Grundbesoldungen haben, das ist angesichts der differenzierenden Ausbildungsstufen natürlich gerechtfertigt. Daß jedoch für die Arbeitszeitberechnung derart infame Schlüssel durch Anwendung der „Auslastungsquoten“ herangezogen werden, ist ein Skandal.

Faksimile eines Originalaushanges beim HILFSWERK zu den AuslastungsquotenWas Dienstnehmer des HILFSWERK daran hindert dagegen vorzugehen, ist laut unseren Recherchen schlicht und einfach die Angst um den eigenen Arbeitsplatz. Eine Dienstnehmerin dazu befragt, warum sie nicht ihre tatsächlichen Arbeitsstunden im Zeitprotokoll einträgt, gab wie folgt an: „Wenn man das einen Monat praktiziert, haun´s an auße – so schnell kann ma gar net schaun.“ Eine Weitere berichtete, daß es eine neue Dienstnehmerinn (Heimhelfer) gibt, bei der die Arbeitszeit von der Einsatzleitung sogar auf die Stundenanzahl berichtigt wurde, daß sie 100 % erreichte. Das bedeutet, sie bekam, absolut gesehen, nur die reine, von der Einsatzleitung vorgeschriebene, Betreuungszeit eingetragenkeine Minute für Fahrt- oder Administrationstätigkeiten. Eine dritte Beschäftigte berichtete, daß sie sich vor der Betriebsleiterin für die „schlechte Auslastungsquote“ rechtfertigen mußte, weil ihre Arbeitszeitangaben als neue Mitarbeiterin noch nicht in das Schema vom HILFSWERK passend umgerechnet wurden. Das HILFSWERK hängt die Listen, die die Auslastungsquoten für die DienstnehmerInnen jährlich ausweist auch ans „schwarze Brett“. Wenn es Abweichungen von den vorgegebenen Prozentsätzen gibt, dann wird dies seitens der Einsatz- und Betriebsleitung sanktioniert (Die Einsatzleitung agiert direkt von der Dienststelle aus, die Betriebsleitung von Landesgeschäftsstelle). Es beginnt beim „Mitarbeitergespräch“, das unter den Beschäftigten als „Anschiß“ definiert ist. Mit „Rufzeichen“ oder „Doppelrufzeichen“ sind die Aspiranten für die „Mitarbeitergespräche“ dann gekennzeichnet und werden durch den Aushang innerbetrieblich gebrandmarkt und andere Beschäftigte somit aus psychologischer Sicht unter Druck gesetzt. (siehe Faksimile li. o. – zur Großansicht – Klick aufs Bild)

Die Landesgeschäftsstellen des HILFSWERK in Wien, Burgenland, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Kärnten, Vorarlberg und Tirol haben wir um Stellungnahme ersucht. Die jeweiligen Anfragen und Antworten können Sie über die Links einsehen. (Anm.: Rückmeldung kam nur durch die Landesgeschäftsstellen, die mit Link gekennzeichnet sind)

Aus diesen Stellungnahmen, sowie der Verweigerung des NÖ HILFSWERK unsere bereits am 5.9.06 auch diesen Punkt beinhaltende Anfrage schriftlich zu beantworten und den vorliegenden Akten, die uns auch von vertraulichen Quellen zur Verfügung gestellt wurden, läßt sich ableiten, daß in den Bundesländern offensichtlich unterschiedliche Prozentsätze zu den Auslastungsquoten existieren, was aber in keinster Weise etwas an der substantiellen Rechtwidrigkeit aus unserer Sicht ändert.

Bezahlt wird nach Kollektivvertrag, daß ist ebenso evident, aber die Anzahl der von Dienstnehmern zur Entlohnung angeführten Arbeitsstunden entsprechen definitiv nicht der Realarbeitszeit und dies ist laut unseren Kenntnissen ein Zustand, der gegen Recht verstößt. Auf dem Rücken der Dienstnehmer werden durch deren Arbeitsleistung Gelder erwirtschaftet und ein internes Schreiben vom NÖ HILFSWERK, das am 9.5.06 im Auftrag des Landesgeschäftsführers Mag. Gunther HAMPEL an alle Mitarbeiter geschickt wurde, wirkt aus unserer Sicht wie ein Affront:

„In den vergangenen Jahren haben wir es dank Ihrer engagierten Mitarbeit geschafft, das Hilfswerk finanziell auf gesunde Beine zu stellen. Ich danke Ihnen nochmals für Ihren Einsatz und Ihr Verständnis für so manche Sparmaßnahme. Für diesen Erfolg können wir Ihnen auch ein finanzielles Dankeschön übermitteln.“

Faksimile des Schreibens im Auftrag von Mag. Gunther Hampel NÖ HILFSWERKFaksimile der internen Benachrichtigung im Auftrag des Landesgeschäftsführers Mag. Gunther Hampel

Ein 100.- Euro Warengutschein wurde an die Beschäftigten übergeben – dies wurde wie folgt begründet: „Durch die Betriebsvereinbarung vom 16.3.2005 sind MitarbeiterInnen im Dienstverhältnis am Betriebserfolg zu beteiligen.“

In der Betriebsvereinbarung finden sich noch andere Punkte, die aber weniger Beachtung bei der Landesgeschäftsführung finden dürften – betrachtet man die Aussagen, aber auch die Zeitung des Betriebsrates, wie z.B. die Wochenenddienste betreffend. Jetzt stellen wir die Frage: Wie viele Warengutscheine könnte sich eine Beschäftigte im mobilen Pflegedienst wohl selbst kaufen, wenn sie die Arbeitszeit entlohnt bekäme, die sie tatsächlich für das HILFSWERK leistet?

Mit Sicherheit werden sich die Gerichte mit unseren Publizierungen zum „Pflegenotstand aus der Sicht des Pflegepersonals“ und damit auch mit den Dienst- & Arbeitsrechtlichen Belangen beim HILFSWERK befassen. Dafür hat die Organisation selbst mit den Klagen gegen unser Nachrichtenmagazin gesorgt …

Realbeispiele aus dem Arbeitsalltag von DientnehmerInnen können Sie zu den Beispielen hier dokumentiert sehen.

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(5-10-06)

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