Pflegehelferin erwirkt Prozeß gegen NÖ HILFSWERK vor Arbeits- & Sozialgericht

Die Dienststelle der Klägerin gegen das NÖ HILFSWERK in Hainburg an der Donau(Österreich / St. Pölten / Hainburg) Mit der Reportage „Pflegehelferin bringt NÖ HILFSWERK vor Gericht“ haben wir den Kampf einer engagierten ehemaligen Pflegehelferin gegen ihren vormaligen Dienstgeber reportiert. Es geht darum, daß die vormals in der mobilen Hauskrankenpflege tätige Beschäftigte vom HILFSWERK Lohnabstriche durch die Anwendung von „Auslastungsquoten“ hinnehmen mußte (siehe Veröffentlichungen zu den Auslastungsquoten 1, 23 + 4) und somit einen Verdienstausfall von 5.741,97 € gerichtlich geltend macht. Die mobile Krankenpflegerin durfte nämlich die Fahrtzeiten zu, zwischen und von den Patienten nicht in vollem Umfang dem HILFSWERK verrechnen, wie sie tatsächlich anfielen, diese wurden stattdessen gekürzt den Auslastungsquoten angepaßt.

Am 25. Oktober 07 trafen die Parteien dann vor dem als Arbeits- und Sozialgericht berufenen Landesgericht Korneuburg aufeinander. War die Gerichtsverhandlung vorerst für 30 Minuten anberaumt, dauerte sie dann tatsächlich über eine ganze Stunde.

Das NÖ HILFSWERK, vertreten durch die Kanzlei CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH, stellte die Forderung wegen angeblicher Verfristung in Abrede, da laut Betriebsvereinbarung, die Bestandteil des Dienstvertrages ist, eine Vier-Monats-Frist für Forderungen nach Beendigung des Dienstverhältnisses besteht. Die Judikatur weiß jedoch sehr wohl zu differenzieren, wann eine derartige Frist zulässig ist – wenn jedoch beispielsweise „arglistige Täuschung„/Sittenwidrigkeit mit im Spiel ist, dann kommt eine 3 Jahres-Frist zur Anwendung.

Die anwaltliche Vertretung der Pflegehelferin, Kanzlei Freimüller – Noll – Obereder – Pilz Rechtsanwälte GmbH, erläuterte den Sachverhalt vor Gericht und belegte, daß der Geschädigten die Fahrtzeiten nicht so bezahlt wurden, wie sie tatsächlich anfielen. Ebenso bedeutend die Darlegung, daß seitens des NÖ HILFSWERKS die Dienstnehmer (Dienstnehmerstand derzeit über 4.600 Beschäftigte) regelrecht in dieses Korsett gepreßt wurden. Neigte das Gericht eingangs der Verhandlung, dem Antrag des NÖ HILFSWERK auf Klageabweisung stattzugeben, änderte es angesichts der expliziten Erklärung der „Spielregeln“ und „Anwendungsmodalitäten“ der Auslastungsquoten seine Beurteilung.

Bemerkenswert aus journalistischer Sicht zur Exklusivserie über den „Pflegenotstand aus der Sicht des Pflegepersonals – Arbeitsbedingungen beim HILFSWERK in Österreich“ jedoch auch folgende Einwände des NÖ HILFSWERKS in ihrem vorbereitenden Schriftsatz an das Arbeits- und Sozialgericht Korneuburg. Darin wird wie folgt ausgeführt:

Die Arbeitszeit beginnt und endet jeweils in der Dienstleistungseinrichtung, sodass bereits der erste Weg von der Dienstleistungseinrichtung zum ersten Kunden zur Arbeitszeit zählt und entsprechend zu entgelten ist.

Faksimile aus dem vorbereitenden Schriftsatz an das Gericht vom NÖ HILFSWERKFaksimile aus dem vorbereitenden Schriftsatz vom NÖ HILFSWERK an das Arbeits- & Sozialgericht Korneuburg

Dies deckt sich auch mit der Aussage des Juristen Dr. MASSL der NÖ ARBEITERKAMMER, den DER GLÖCKEL zu der Rechtswidrigkeit der Auslastungsquoten interviewte und von uns aufgedeckt wurden. Insbesondere dann diese Textpassage vom HILFSWERK weiters:

Die Arbeitsaufzeichnungen bei der beklagten Partei erfolgen in der Weise, dass die Dienstnehmerin die von ihr geleisteten Arbeitszeiten schriftlich aufzeichnet und diese Dokumente der beklagten Partei übergibt. Diese schriftlichen Aufzeichnungen – auch jene der Klägerin – werden ohne jegliche Streichungen in das elektronische Abrechnungssystem der beklagten Partei übertragen. Auf Basis dieser Zeiterfassung erfolgt die Abrechnung.

weiteres Faksimile der CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH im Auftrag des NÖ HILFSWERKweiteres Faksimile aus dem Schriftsatz der CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH – Vertretung des beklagten NÖ HILFSWERK

Als Zeugen hat die der ÖVP zuzuordnenden Pflegediensteinrichtung nun die Betriebsleiterin SCHERBICHLER (leitet von der Landesgeschäftsstelle aus mehrere Dienststellen) sowie die Einsatzleiterin ZATKO der Dienststelle Hainburg/D. namhaft gemacht. In letzterer war die Klägerin beschäftigt.

Schon am 3.9.2006 hat der Journalist Walter Egon GLÖCKEL bei einem Interview mit einer anderen Dienstnehmerin dieser Dienststelle folgende Aussage, die von SCHERBICHLER in einer Dienstbesprechung getätigt worden sein soll, folgend protokolliert: Wenn die Auslastung nicht stimmt, dann schreibt Euch keine Fahrtzeiten. Diese gab zusätzlich an, daß die Einsatzleiterin bei einer Kollegin (Name der Redaktion bekannt) die Arbeitszeit laut Dienstplan, also somit die reine netto-Betreuungszeit bei Patienten, geschrieben hat und die Protokolle ausbesserte! Im Klartext bedeutet dies, daß keine einzige Minute Fahrtzeit angerechnet wurde, und dies bei einem Arbeitsgebiet, das Betreuungsörtlichkeiten umfasst, die auch Fahrten von über 20 Kilometer von einem Patienten zum anderen beinhalten. Am 6.9.2006 in einem anderen Interview mit einer weiteren Dienstnehmerin gab diese an, daß Einsatzleiterin ZATKO ihr gegenüber wie folgt sagte: „Du darfst die Fahrtzeiten nicht vollständig schreiben, weil sonst die Auslastung nicht stimmt.

Die Pflegehelferin hat ihrerseits 4 Kolleginnen als Zeugen benannt, die ebenso wie sie von den Auslastungsquoten betroffen waren. Auch Journalist GLÖCKEL wurde als Zeuge angeführt, denn dieser hat im Zuge der Exklusivserie unter anderen diese Rechtswidrigkeit vom HILFSWERK aufgedeckt, wobei anzumerken ist, daß das NÖ HILFSWERK zu Serienbeginn zu einer  Stellungnahme aufgefordert wurde und eine solche in schriftlicher Form ablehnte.

Das Arbeits- & Sozialgericht hat die Klage gegen das NÖ HILFSWERK zugelassen. Es wurde der Pflegeeinrichtung aufgetragen, bis 30.11.2007 alle Dienstpläne der ehemaligen Dienstnehmerin für den gesamten Beschäftigungszeitraum vorzulegen, die dann zwecks Aufschlüsselung der tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten herangezogen werden. Der vorsitzführende Richter äußerte dann sinngemäß: sollte herauskommen, daß der Arbeitgeber gewußt hat, daß die Aufzeichnungen unrichtig sind, weil Bezug auf Quote festlegt, dann kann sich die Gegenseite nicht auf Verfall berufen. In diesem Fall ist das Vertrauen auf die Korrektheit der Aufzeichnungen nicht schützenswert.

Bis am 30.11.07 sind die vom Gericht eingeforderten Dienstpläne der Pflegehelferin nicht vorgelegt worden. Statt dessen kam ein Antrag auf Fristverlängerung vom NÖ HILFSWERK weil u.a. „noch nicht alle Unterlagen aufgefunden werden konnten.“ …

Faksimile aus dem Fristverlängerungsantrag vom NÖ HILFSWERKFaksimile aus dem Fristverlängerungsantrag vom NÖ HILFSWERK, datiert 30.11.07

Die nächste mündliche Streitverhandlung am Landesgericht Korneuburg findet am 18.1.2008 um 09:00 Uhr, Saal XI/Zimmer 255 – 2. Ebene/Neubau, Hauptplatz 18 statt. Die Zeugen SCHERBICHLER sowie ZATKO wurden bereits für diesen Termin geladen. Wir werden berichten.

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